Die Troika-Politik hat dazu geführt, dass Griechenland seine Staatsausgaben drastisch gekürzt hat und die Staatseinnahmen durch erhöhte Steuern und strengerer Steuererhebung gesteigert werden sollten.
Seine Ausgaben zu senken und die Einnahmen zu steigern erscheint zunächst nicht verwunderlich. Wäre eine Privatperson in einer solchen finanziellen Notlage, würde diese dementsprechend handeln, um ihren Schuldendienst zu leisten.
Verwunderlich ist jedoch, dass die Staatseinnahmen Griechenlands rückläufig sind.
Schauen wir uns an, warum dem so ist.

Unterschied zwischen der schwäbischen Hausfrau und einer Volkswirtschaft

Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in 2008 die schwäbische Hausfrau als finanzielles Vorbild eines jeden Haushalts hervorgebracht. Die schwäbische Hausfrau wisse, dass man nicht für immer über seinen Verhältnissen leben könne. Wolfgang Schäuble als deutscher Finanzminister hat die Symbolik der schwäbischen Hausfrau nochmals verstärkt. Seine Mutter nämlich sei eine gewesen und habe auf ihn abgefärbt. Die Wirkung der sparsamen Finanzen Deutschlands, geleitet von unserem Finanzminister, hat sich zuletzt in einem Haushaltsüberschuss des ersten Halbjahres 2016 in Höhe von 18,5 Milliarden Euro gezeigt.

Fallacy of Composition

Es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen der makro- und mikroökonomischen Betrachtungsweise. Es ist durchaus richtig, dass es für den Einzelnen richtig ist, in finanziellen Schwierigkeiten seine Ausgaben zu kürzen.
Was passiert aber, wenn man einer kompletten Volkswirtschaft (Staat, private Haushalte und Unternehmen) eine Ausgabenkürzung vorschreibt?

Wir haben erfahren, dass die Ausgaben es Einen die Einnahmen des Anderen sind. Fangen also alle an zu sparen, fließt Geld aus dem Wirtschaftskreislauf heraus. Und finden diese Ersparnisse keinen Weg in den Wirtschaftskreislauf zurück (bspw. in Form von Staatsausgaben oder Investitionen), verlieren immer mehr Menschen ihre Einkommen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Arbeitslosigkeit in dieser Volkswirtschaft ansteigt.
Dieser Trugschluss, vom Einzelnen auf das Ganze zu schließen, wird als Fallacy of Composition bezeichnet (zu deutsch: Trugschluss der Komposition).

Und was ist mit Griechenland?

In Griechenland ist genau dies passiert. Die Kürzungen der Pensionen, von ihrer Rechtswidrigkeit abgesehen, sowie die fortlaufende Lohnsenkung (insbesondere im öffentlichen Bereich) haben zu geringeren Konsumausgaben geführt. Gleichzeitig wurden die Staatsausgaben gesenkt. Hinzu kommt, dass Unternehmen nur Investitionen tätigen, wenn eine Nachfrage nach ihren Produkten besteht.
Wenn die Konsum- und Staatsausgaben aber sinken, sinkt auch die Nachfrage. Das Resultat ist die hohe Arbeitslosigkeit und der hohe kumulierte Wohlstandsverlust der Griechen in den Jahren nach der globalen Finanzkrise.

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Rückläufige Staatseinnahmen trotz Steuererhöhungen?

Bei Steuererhöhungen geht man auf den ersten Blick davon aus, dass die Staatseinnahmen steigen sollten. Das komplette Gegenteil ist in Griechenland passiert. Mit dem Rückgang der Staatsausgaben sind ebenso die Staatseinnahmen gesunken.statistic_id200550_staatseinnahmen-und-staatsausgaben-in-griechenland-bis-2015

Die Gründe dafür finden wir auf der Ausgabenseite. Wenn die Gesamtnachfrage sinkt, werden immer mehr Menschen arbeitslos werden. Durch die gestiegene Arbeitslosigkeit gehen die Konsumausgaben drastisch zurück.
Wenn also immer mehr Menschen ein geringeres Einkommen haben, greifen auch die Steuererhöhungen nicht (abgesehen von der Mehrwertsteuer), da das Einkommen der Menschen den Grundfreibetrag nicht oder kaum übersteigt.
Dazu kommt, dass auch Unternehmen in größere Gefahr laufen, ihr Geschäft nicht mehr problemlos betreiben zu können. Ist ihre Kostenstruktur nicht einigermaßen flexibel, werden auch diese pleite gehen, wodurch die Steuereinnahmen nochmals sinken und die Arbeitslosigkeit weiter steigt.arbeitslosenquote-griechenland

Hohe Arbeitslosigkeit, geringer Wohlstand und schlechte wirtschaftliche Aussichten

Die Menschen in Griechenland leiden an einem desaströsen Zustand ihrer Wirtschaft. Selbst Menschen mit guten Qualifikationen haben Probleme Arbeit zu finden. Die Konsequenz ist, dass diejenigen Griechen, die die Mittel zur Auswanderung besitzen, aus dem Land flüchten. Und zumeist sind dies Menschen, die eine gute Ausbildung und hohe Qualifikationen besitzen. Einem Bericht der Tagesschau vom 2. Juli 2016 ist zu entnehmen, dass seit 2008 fast 430.000 Griechen das Land verlassen haben.

Konsequenzen der Auswanderung

Zunächst lässt sich einigermaßen positiv vermerken, dass durch die gesteigerte Auswanderung von Arbeitslosen die Arbeitslosigkeit sinkt und dementsprechend die korrespondierenden Transferleistungen an diese Menschen sinken.
Kurzfristig gesehen ist dies vielleicht von Vorteil. Langfristig betrachtet ist diese Entwicklung aber fatal. Denn wenn potenzielle Unternehmer, Ärzte, Lehrer oder Wissenschaftler das Land verlassen, verschlechtert dies das zukünftige Wirtschaftswachstum eines Staates.

Begrenzte Staatsausgaben verschlimmern die Situation

Aber nicht nur die Auswanderung ist ein Problem für die zukünftige Entwicklung Griechenlands. Auch die begrenzen Staatsausgaben gefährden das Wirtschaftswachstum. Viele Ökonomen sind der Ansicht, dass man in einer Rezession nach keynesianischem Vorbild in Form von produktiven Investitionen eingreifen sollte. Technologie, Infrastruktur und Bildung würden sowohl kurzfristig als auch langfristig für eine bessere wirtschaftliche Position der Volkswirtschaft sorgen.
Selbstverständlich würde das Haushaltsdefizit durch die verstärkten Ausgaben zunächst steigen. Langfristig gesehen überwiegen die Vorteile der geringeren Arbeitslosigkeit, des höheren Wohlstands und der zukünftig höheren Steuereinnahmen.

Ausblick

In einem späteren Beitrag wollen wir uns angucken, wie die Regeln der freien Arbeitsmobilität und des freien Kapitalverkehrs, die eine EU-Mitgliedschaft mit sich bringt, die Situation in Griechenland verschärft haben.

 

Quellen:
The World Bank (http://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=GR)
Tagesschau-Bericht zur griechischen Auswanderung (http://www.tagesschau.de/ausland/griechenland-auswanderung-103.html)
Tagesschau-Bericht zum deutschen Haushaltsüberschuss (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/haushaltsueberschuss-107.html)
FAZ-Artikel zur schwäbischen Hausfrau (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schulden-die-schwaebische-hausfrau-1979097.html)
Joseph E. Stieglitz: The Euro – How a Common Currency Threatens The Future of Europe. New York: W.W.Norton & Company, Inc., 2016.